Energieversorgung ohne Putin – geht das?

Durch den Krieg in der Ukraine sind die Kosten für Öl und Gas in die Höhe geschossen. Deutschland ist besonders stark betroffen – deswegen will die Politik unabhängig von russischer Energie werden. Ist das überhaupt möglich und wenn ja, wie schnell ginge das?

Aus welchen Quellen stammt die Energie eigentlich, die Deutschland verbraucht? Ein kurzer Überblick:

Mineralöl – langfristig unverzichtbar

Mineralöl ist der wichtigste Energieträger in Deutschland – 32 Prozent des Energieverbrauchs werden durch Öl gedeckt. Ein Drittel der Importe stammt aus Russland. Zwei Drittel dieses russischen Öls wird per Pipeline geliefert, ein Drittel auf dem Seeweg. Bei diesem Drittel ist eine Umstellung auf Ölimporte aus anderen Ländern zumindest möglich.

Aber einige Raffinerien sind auf russisches Öl ausgelegt und können nicht einfach andere Ölsorten verarbeiten. Außerdem ist der russische Ölkonzern Rosneft an drei der fünf größten Raffinerien in Deutschland beteiligt. Selbst wenn ein Teil der Öl-Importe durch andere Quellen ersetzt werden würde, wäre eine Verarbeitung schwierig und sowohl zeit- als auch kostenintensiv, so dass Deutschland auf absehbare Zeit russisches Öl kaufen muss.

Erdgas – In anderer Form aus neuen Quellen

Mit einem Anteil von 27 Prozent ist Erdgas der zweitwichtigste Energieträger in Deutschland, 55 Prozent der Erdgasversorgung stammt aus Russland. Die inländische Förderung ist gering, könnte aber etwas gesteigert werden.

Sowohl in der Industrie als auch bei den Haushalten ist ein Ersatz durch andere Energieformen nicht so leicht möglich. So wird beispielsweise jede zweite Wohnung mit Erdgas beheizt. Eine Alternative stellen andere Lieferländer dar. Die Lieferung würde dann nicht per Pipeline, sondern als Flüssiggas (LNG) erfolgen. Die neuen LNG-Terminals, die die Regierung angekündigt hat, dürften allerdings frühestens in vier bis fünf Jahren zur Verfügung stehen. Die Terminals in den Niederlanden und Belgien arbeiten derzeit an ihren Kapazitätsgrenzen.

Kohle – Ausstieg mit Unterbrechung

Als Reaktion auf den Anstieg der Erdgaspreise ist die Steinkohleverstromung um mehr als 25 Prozent gestiegen, so dass sie 10 Prozent zur Stromerzeugung beisteuerte. Weil die deutschen Zechen bereits alle geschlossen wurden, muss der Brennstoff importiert werden, zur Hälfte aus Russland. Steinkohle ist grundsätzlich reichlich verfügbar, Importe aus anderen Ländern sind allerdings deutlich teurer. Außerdem müssen Kraftwerke technisch umgestellt werden, weil die nichtrussische Kohle einen höheren Schwefelgehalt hat.

Braunkohlekraftwerke liefen letztes Jahr auf Hochtouren, der Anteil an der Gesamtproduktion lag bei 18,5 Prozent. Die Braunkohle-Meiler werden aber bald abgeschaltet, da diese Form der Energieerzeugung sehr umweltschädlich ist. Denkbar wäre lediglich, dass sie nicht vollkommen abgeschaltet werden, sondern in die Sicherheitsbereitschaft geschoben werden könnten. Die Kraftwerke werden gewartet und in ständiger Betriebsbereitschaft gehalten, damit sie binnen elf Tagen wieder Strom liefern können.

Kernenergie – Der Ausstieg vom Ausstieg vom Ausstieg?

Die Kernenergie trägt in Deutschland mit knapp 12 Prozent relativ wenig zur Stromproduktion bei. Durch den Atomausstieg wurden mittlerweile fast alle Reaktoren vom Netz genommen, Ende 2022 werden die letzten drei stillgelegt. Die International Energy Agency IEA sieht den längeren Betrieb von Kernkraftwerken als die preisgünstigste Methode der Einsparung von Treibhausgasemissionen. Zudem ist Kernenergie von Wetterverhältnissen unabhängig und kann in schwachen „Ökostrom-Jahren“ kompensieren. Dennoch dürfte Atomenergie in Deutschland keine Zukunft haben.

Windkraft – Bürokratie verzögert den schnellen Ausbau

40 Prozent der deutschen Stromerzeugung stammt bereits aus erneuerbaren Quellen. Dies soll laut Aussagen des Wirtschaftsministers Habeck bis 2035 auf 100 Prozent steigen. Die Hälfte dieses Anteils stammt aus heimischer Windkraft.

Dieser Anteil wird weiter steigen, allerdings nicht kurzfristig: die Planungszeiträume bis zum Baubeginn betragen mehrere Jahre, so dass keine schnelle Abhilfe zu erwarten ist. Langfristig kann Windkraft aber einen deutlichen Anteil an der deutschen Energieversorgung stellen.

Wasserkraft – bereits am Limit

Ausbaupotential gibt es bei der Wasserkraft kaum. Die geographischen Bedingungen Deutschlands sind ungeeignet, die vorhandenen Potentiale vielfach schon genutzt. Bestehende Wasserkraftwerke könnten lediglich ausgebaut und modernisiert werden, um mehr Strom aus Wasserkraft in den deutschen Energiemix einzuspeisen.

Photovoltaik – Fehlende Handwerker, drohende Bürokratie

Photovoltaikanlagen produzierten 2021 8 Prozent der deutschen Stromerzeugung. Ein schnellerer Ausbau scheitert jedoch am Personalmangel: es fehlt schlichtweg an Handwerkern. Bislang nutzen wir zu wenige Dächer und meist nur einen kleinen Teil der geeigneten Dachfläche. Das liegt auch daran, dass es sich für Privatpersonen lange nicht rentiert hat, Strom aus ihren Photovoltaikanlagen ins öffentliche Netz einzuspeisen.

Um die eigenen Klimaziele zu erreichen, muss die Regierung neben Anreizen zur Einspeisung von Strom diese Anlagen ins Netz insbesondere den Ausbau von Freiflächenanlagen deutlich beschleunigen. Beispielsweise durch schnellere Genehmigungsverfahren, aber auch durch Doppelnutzung landwirtschaftlicher Flächen.  Dann kann die Photovoltaik auch vergleichsweise schnell einen größeren Beitrag zur deutschen Energieversorgung leisten.

Biomasse – Energie vs. Ernährungssicherheit

2021 wurde 7 Prozent der deutschen Energie aus Biomasse erzeugt. Vor allem Abfallprodukte wie Gülle werden in Biogasanlagen verwendet. Für den Einsatz von Mais, der eigentlich einen besseren Biomasseertrag hätte, gibt es gesetzlich festgeschriebene Mengen. Einer möglichen Aufweichung der Regeln mit Blick auf die steigenden Energiepreise erteilt das Umweltbundesamt eine Absage, da auch die Ernährungssicherheit gewährleistet sein müsse.

Bioenergie ist deutlich teurer als andere erneuerbare Energien. Im Vergleich zur Photovoltaik werde etwa 40- bis 50-mal mehr Fläche benötigt, um eine Kilowattstunde Strom herzustellen. Dazu kommt, dass Biogasanlagen häufig an landwirtschaftliche Betriebe angegliedert sind und daher nur schwer an das Gasleitungsnetz anzuschließen sind.

Wasserstoff – Noch stark von Erdgas abhängig

Wasserstoff wird nicht vor 2030 in nennenswerter Menge in Deutschland verfügbar sein. Bislang entsteht selbst bei den überschaubaren Mengen erst etwa 5 Prozent als grüner Wasserstoff ohne CO2-Emissionen.

Für einen spürbaren Anteil von (grünem) Wasserstoff in der Energieversorgung sind gewaltige Investitionen erforderlich, die zudem auch sehr lange Vorläufe in dem Kapazitätsaufbau erfordern. Damit dürfte Wasserstoff auf absehbare Zeit noch kein bedeutender Faktor im Energiemix werden.

Was können wir also tun?

Kurzfristig wird es leider nur mit Öl und Gas aus Russland gehen. Für sämtliche Alternativen fehlt uns (noch) die notwendige Infrastruktur, um vollständig auf andere Länder oder andere Technologien zurückgreifen zu können.

Allerdings dürfte der Krieg in der Ukraine die deutschen Bemühungen, unabhängig in der Energieversorgung zu werden, noch einmal deutlich beschleunigt haben. Daher stehen die Chancen tatsächlich gut, in den kommenden zehn Jahren durch den weiteren Ausbau von Wind- und Sonnenenergie sowie durch den Aufbau einer Infrastruktur für Wasserstoff unabhängig von russischen Energielieferungen zu werden.

Ihr
DGK & Co. Vermögensverwaltungsteam

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